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Dienstag, 3. März 2020

EN HELT ALMINDELIG FAMILIE – Wenn der Papa eine Frau wird


Wenn ein dänischer Film EN HELT ALMINDELIG FAMILIE (2020, dt.: Eine ganz gewöhnliche Familie) heißt, weiß man natürlich sofort, dass diese Filmfamilie vermutlich nicht ganz so gewöhnlich sein wird. Und wenn ein Vater mit Ehefrau und zwei jungen Töchtern meint, er müsse sich jetzt zur Frau umoperieren lassen, dann handelt es sich ja tatsächlich um einen nicht so häufigen Sonderfall. Das Schöne aber an dem Film ist seine inhaltliche und auch ideologische Unaufgeregtheit. Weder Idealisierung noch Politisierung. Hier ist ganz einfach in einer ganz schwierigen Situation ein Mann, der physisch eine Frau werden will und es auch tatsächlich wird. Und dann interessiert sich Malou Reymanns EN HELT ALMINDELIG FAMILIE vornehmlich für die rein persönlichen Auswirkungen solch einer Handlung auf die Kinder, besonders das jüngere 10-jährige.

Ausgewogen ist auch die Stimmung. Es ist keine Komödie, kein Drama. aber das Ganze hat sowohl seine komischen als auch traurigen Seiten. Komisch ist es, wenn der Schwiegervater auf seiner Rede zur Konfirmation der Enkelin die weiblichen und männlichen Pronomen und den alten und den neuen Vornamen des Ex-Schwiegersohnes – Thomas und Agnethe – durcheinanderbringt und auf die Berichtigungen hin grummelt: „Ja, da muss man sich ja auch erst mal dran gewöhnen.“ Vergnüglich absurd wird es, wenn die Mutter vor der Operation und der Ehescheidung eine Abschiedszeremonie veranstalten will, um sich von ihrem Mann zu verabschieden, der dann ja schließlich weg sei. Das finden die anderen aber doch zu begräbnisartig. Wenn die jüngere Schwester für die ältere auf der erwähnten Konfirmation ein Lied singt, dann ist das zum Weinen schön rührend. Und wenn die jüngere sich ein anderes Mal in ihrer Verstörung eine Alkoholvergiftung antrinkt und ihrem weiblichen Vater wutspeiend ins Gesicht den Tod wünscht, ist das sehr traurig. Dass alles dennoch harmonisch im Gleichgewicht bleibt, ist einer subtilen und ruhigen Regie von Malou Reymann zu verdanken und besonders den Darstellern von Vater und Töchtern. Mikkel Boe Følsgaard, als Thomas und Agnethe, spielt mit ganz sparsamen Mitteln und sehr natürlich, jenseits aller postiven und negativen Klischees, eine Figur, die versucht, ihre Würde zu bewahren, ihr Gleichgewicht herzustellen und für sich eine Art Normalität zu finden.

Rigmor Ranthe spielt die ältere Tochter, die harmoniebedürftige Caroline, die die Familie zumindest ansatzweise retten will. Und daher macht sie jede Laune des umoperierten Vaters mit. Kaya Toft Loholt verkörpert Emma, und es ist bemerkenswert, wie dieses kindliche Durcheinander aus widerstreitenden Gefühlen bei ihr auf der Leinwand durchscheint. Denn sie sieht die Brüche in der Fassade, ist hin- und hergerissen. Es gibt beispielsweise eine Sitzung bei der Familientherapie, während der die Kamera hinter Emma positioniert ist, wobei sie sich trotzig einen Schal um den Kopf gewickelt hat, da sie den Vater nicht in Frauenkleidern sehen will. Die ganze Zeit bleibt die Kamera dort, während die anderen Personen nur unscharf zu sehen sind, wo sich ein nicht wenig absurdes Psycho-Theater abspielt. Am Schluss fragt sie ihn: „Bleibst du mein Vater?“ Als der ihr das zusichert, legt sie den Schal ab

Doch so leicht ist es nicht. Agnethe ist für die Kinder zwar da, ist aktiver Teil der Familie, aber die Vater-Wirklichkeit zerfällt schnell. Denn sie spielt jetzt zweite Mutter, auch vor anderen, spielt ganz die weibliche Rolle und tut jetzt alles, was man vermeintlich als Frau so macht. Emma aber will ihren Vater wiederhaben: „Du bist nicht unsere Mutter.“ Da gibt es eine interessante Schlüsselszene in Bezug auf Fußball, wenn Agnethe auf dem Urlaub in Mallorca beim Gespräch mit einer anderen Frau plötzlich so tut, als hätte sie keine Ahnung von Fußball, wo sie es als Vater doch war, der mit Emma immer zum Fußballverein gefahren ist. Und ganz am Schluss fachsimpelt eben die echte Mutter mit Emma über Fußball. Denn nebenbei ist EN HELT ALMINDELIG FAMILIE eine sehr subtile Betrachtung von Rollenbildern  und im Grunde der einfachen Tatsache, dass sowieso jeder in sich Yin und Yang, das Weibliche und das Männliche ins Gleichgewicht bringen muss, ohne es sofort zu verkörperlichen.

Es ist vor allem die Struktur, die die mitunter seltsame und sehr gelungene ambivalente Stimmung des Films erzeugt. Immer wieder werden alte Familienvideos gezeigt, heimelig, gemütlich, alltäglich, aber auch aufschlussreich. Es scheint so, dass der Vater immer filmte, weil er sich außen vor fühlte. Einmal sagt die Mutter so etwas wie, er solle doch mitmachen und nicht filmen. Man sieht fast immer nur die Mutter und die beiden Töchter. Er ist nie wirklich dabei. Auch wenn er sich manchmal selbst filmt. Die Operation wirkt da wie ein Versuch, endlich echt und authentisch zu sein und den richtigen Platz auch in der Familie einzunehmen. Auch am Ende werden uns wieder glückliche Bilder gezeigt, diesmal mit Agnethe und den Töchtern. Wie ein kleines Happy End. Als hätte jeder seinen Platz gefunden. Aber es wirkt gleichzeitig wie eine Kreisbewegung, wie eine Rückkehr zum Anfang. Denn es beginnt mit einem Video, in dem er sich auch selbst filmte und jetzt endet es eben mit einem.