Der lang erwartete, etwa 2,5 Stunden dauernde, zweite Teil von Anders Refns familiärem Weltkriegsepos DE FORBANDEDE ÅR (2020, engl.: Into the darkness), DE FORBANDEDE ÅR 2 (2022) (engl.: Out of the darkness), ist doch düsterer als erwartet. Der Weg aus der Dunkelheit heraus erweist sich für manche als äußerst schwierig. Der Krieg hat so manche Spur hinterlassen, ganz abgesehen von den Toten. Refn macht jetzt auch keine Zugeständnisse in der Betrachtung der Jahre 1943-1945. Das Abwenden von der Zusammenarbeit mit den Deutschen folgte pünktlich auf die Niederlage Deutschlands in Stalingrad, die schon ein erstes Zeichen für das Ende war.
Refn
konzentriert sich sehr auf das Zertrümmern von Mythen und Legenden,
die man sich, wie auch in anderen Ländern, in einem Akt der
Verdrängung, bastelte. Ging es im ersten Teil um die Zeit der noch
relativ ruhigen Zusammenarbeitspolitik, spielt der zweite Teil in der
Zeit der Konflikte, der Sabotage, der Erschießungen, der Umkehr
aller Werte. Auch wenn die Zusammenarbeit offizielle
Regierungspolitik war, gilt man nach der Wende trotzdem plötzlich
als Verräter, wenn man mit den Deutschen gearbeitet hat. Aber der
organisierte Widerstand ist großzügig. Er bietet die Gelegenheit, sich
gewissermaßen freizukaufen. Natürlich ohne Garantie. Am Ende wird dem Fabrikanten geraten, lieber eine Zeit lang Dänemark zu verlassen.
Nach der kurzen Harmonie der Silberhochzeitsfeier traten im ersten Teil Risse auf, die im zweiten Teil zu nicht mehr zusammensetzbaren Scherben zerfallen. Die Leben der Familienmitglieder spiegeln die verschiedenen Wege wieder, die man gehen konnte. Es ist ein Spiegel Dänemarks zu jener Zeit, zeigt, wie Trennung, Hass, Selbstgerechtigkeit oder auch Mut und Opferbereitschaft entstehen. Gleichzeitig lebt jeder in seiner Welt. Und wo ist der Unterschied zwischen dem schwer verletzten Ostfrontkämpfer, der nur noch desillusioniert trinkt, und dem Widerständler, der aus Versehen einen falschen Mann, einen Unschuldigen erschießt? Trotzdem gönnt er sich die für seine Tätigkeit moralische Überlegenheit. Nicht ein einziges Mal sieht man, dass seine Gewalt des Widerstands irgendeinen Sinn machen würde.
Es wird nichts verschont, was im gemütlichen dänischen Alltag dieser Zeit einen gewissen Ewigkeitswert hatte. Das meiste ist düster, mörderisch, der Film bleibt überwiegend beobachtend ohne selbstzufriedene moralische Bewertungen. Ein Film ohne Helden. Am Schluss steht ein konsequentes, sehr stilles Ende, an dem sich das einst so enge Fabrikantenehepaar nichts mehr zu sagen hat. Refn lässt seinen Film ohne weiteres Drama oder Cliffhanger auslaufen. Es gibt am Ende eine elliptische Erzählweise, die zeigt, dass die Jahre ihre Spuren hinterlassen haben. Es kommt auch in Dänemark zu sinnlosen Racheaktionen, zu Säuberungen, die oft selbst von Kollaborateuren,Verbrechern oder Kommunisten durchgeführt wurden.
Und dann ist da die eine filmische Einstellung, die alles gut zusammenfasst. Da wird die Erhängung des Dieners der Fabrikantenfamilie in einer weiten Totalen gezeigt. Und das inmitten einer typischen, schönen dänischen Landschaft. Alles, was er gemacht hat, war, einmal seiner Frau etwas Privates zu erzählen. Wie konnte er wissen, dass sie ihr Wissen an ihren Nazi-Geliebten verkaufte? Refn verzichtet sonst ganz auf das Zeigen von Gewalt wie Folter, beschränkt sich auf Schusswechsel. Das Erhängen ist die einzige wirklich grausame Szene: die Beine zucken noch lange vor dem orangenen Morgenhimmel, denn wie die Gestapo kommen die Männer der Säuberung mitten in der Nacht. Ein treffendes und eigentlich zu schönes Bild für den totalen Zerfall aller Werte durch solch eine Besatzung.
Hier gibt es
keine Helden, nur Menschen, die irgendwie durchkommen wollten oder
die vom Fanatismus überwältigt wurden. Und jeder glaubte, das Richtige zu tun. Es geht dann für viele um
die Schwierigkeit, wieder ins normale Leben zurückzukehren. Dass das
die meisten wollen, wird symbolisiert dadurch, dass der jüngere
Bruder dem älteren, als der im Frieden den Krieg fortsetzen will, die
Pistole entreißt und ganz weit ins Meer wirft. Dann lässt man ihn
allein am inzwischen leeren Strand sitzen.