Der schwedische Film
FEUER UND FLAMME (2019, schw.: Eld & Lågor)
vom Regie-Duo Måns Mårlind und Björn
Stein war der Eröffnungsfilm der Nordischen Filmtage Lübeck, und
in den letzten Jahren gab es tatsächlich keinen Eröffnungsfilm, der
sich so sehr dafür eignete, einer zu sein. Die perfekte Wahl. Und das sage ich
jetzt nicht einfach leichthin. Ich habe sicherheitshalber nachgeguckt
in den vergangenen Programmen. Da wird auch die Einschränkung
bedeutungslos, dass es nicht der beste Eröffnungsfilm der letzten
Jahre war. Denn FEUER UND FLAMME ist rein
äußerlich einfach uneingeschränkt schön anzusehen mit einem mehr
als gelungenen und äußerst stilvoll-fantasiereichen Production
Design im Vintage-Stil, denn der Film spielt ja 1940.
FEUER UND FLAMME ist bunt, knallig, visuell hemmungslos, aber doch
immer geschmackvoll. Die Farben, die
Lichter, die Kostüme, alles ist sehr
sorgfältig aufeinander abgestimmt.
Und in
dieser Umgebung spielt sich dann auch das Geschehen ab wie ein
abwechslungsreiches Feuerwerk mit unzähligen Anekdoten, Geschichten,
Details, Bildern. Erzählt wird nicht „Romeo und Julia auf
dem Dorfe“, sondern eben „Romeo und Julia auf der Kirmes“, mit
dem Handlungsort „Gröna Lund“, dem Vergnügungspark
auf der Stockholmer Halbinsel
Djurgården. Da
bahnt sich eine unerwünschte Liebesgeschichte zwischen zwei jungen
Menschen aus zwei verfeindeten, nebeneinander und vor allem
gegeneinander existierenden, Familienunternehmen an. Alles beruht übrigens
im Prinzip auf Tatsachen, Fotos im Nachspann untermauern das. Die
eine Familie hat eine lange feine Tradition hinter sich, die anderen
sind wohl erst gerade ansässig gewordene Fuhrleute, weshalb der
vornehme Chef sie immer mit „tattare“ beschimpft, also
„Zigeuner“, womit aber hier wohl nicht die Volksgruppe gemeint
ist. Oder doch? Womit ich schon bei einem Problem des Films wäre,
seiner ungeordneten Überfülle.
Diese
Überfülle steht allerdings in einer filmischen Tradition. Gleich zu
Anfang, wenn die Kirmes-Kapelle mit Zigeunerjazz loslegt, fühlt es
sich an, als wäre man in einem Film von Emir Kusturica. Die ganze
poppig-bunte Vintage-Verpackung, angereichert mit moderner Musik,
erinnert außerdem an die Extravaganzen von Baz Luhrman MOULIN ROUGE
(2001) und ROMEO UND JULIA (1996). Und dann muss auch noch Michael
Ende herhalten, wenn da Momos „graue Herren“ umherlaufen, nur
dass sie es diesmal nicht ganz metaphysisch auf Zeit, sondern ganz
banal auf Geld abgesehen haben. Und dann steht der Film in einer
gleichzeitigen Reihe mit modernen Attraktions-Filmen, die sich der
traditionellen Vergnügungsindustrie widmen, sei es der Barnum-Film
THE GREATEST SHOWMAN (2017), sei es Tim Burtons Neuverfilmung von
DUMBO (2019). Wenn Themen irgendwie in der Luft liegen, greifen oft mehrere zu.
Und
FEUER UND FLAMME ist im Prinzip tatsächlich das geworden, was er
sein will, vor allem, wenn ich an die Aussage eines der beiden
Regisseure nach der Pressevorführung denke, dass der Film wie eine
Kirmes sein solle. Aber dabei ist so viel auf der Strecke geblieben,
wodurch einen die Geschichte wirklich berühren könnte. So habe
ich dagesessen, habe mit Freude das Dekor betrachtet, habe den
Figuren zugesehen bei ihren Problemen, aber es hat mich alles völlig
kalt gelassen. Bei diesem Versuch, aber auch wirklich alles übermäßig
lebendig wirken zu lassen, werden die schönsten Details versenkt und
verschenkt. Dass ich gerne mehr von den tanzenden Hühnern, denen man
Feuer unter den Pfoten macht, gesehen hätte, ist zugegebenermaßen
ein ganz persönlicher und subjektiver Wunsch, aber auch die doch so
zentrale, magische Szene vor dem Haus mit den Flüchtlingskindern
bleibt fragmentarisch, hat nicht die Magie, die sie haben müsste.
Es
sind immer wieder Andeutungen, Entwürfe. So voll, wie der Film in
jeder Hinsicht ist, wirkt er mitunter wie der Zusammenschnitt eines
längeren Films, einer Fernsehserie. Es fehlt Timing, Rhythmus, statt
Jahrmarkt ist es manchmal eher eine bunt-funkelnde Rumpelkammer. Und
den Figuren fehlt es an Logik. Es reicht nicht, einfach interessante
und spannende Storys, die einem die Nachkommen des Liebespärchens
erzählt haben, zusammenzufügen. Und die vielen, ich sage mal,
Problemthemen, mit denen der Film auch noch angereichert ist, werden
dadurch zu reinen Versatzstücken: Da werden Nazismus in Schweden,
Homosexualität, psychische Erkrankung und darauf folgende
Entmündigung sowie die Flüchtlingsproblematik anhand eines
deutschen Deserteurs und dessen Auslieferung angesprochen. Das ist
ein ganz schöner Batzen und eindeutig zu viel. Was wirklich schade
ist, weil eine wirklich schöne, wahre und ziemlich unglaubliche
Geschichte darunter begraben wird. Wenn man am Ende während des
Nachspanns all die Fotos sieht, bedauert man, diese Menschen und ihre
Geschichte nicht wirklich kennengelernt zu haben.
Ninni Nilsson (Frida Gustavsson), John Lindgren (Albin Grenholm)
© Aril Wretblad (Quelle: Nordische Filmtage Lübeck)