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Dienstag, 19. Januar 2021

Charlotte Bloms DIANAS HOCHZEIT – Ihre peinlichen Eltern

 

© Maipo Film  (Quelle: Nordische Filmtage Lübeck)
 
Im Katalog der Nordischen Filmtage Lübeck 2020, bei denen Charlotte Bloms norwegischer Film DIANAS HOCHZEIT / DIANAS BRYLLUP (2020) zu sehen war, steht ein Zitat der Regiseurin: „Eine erfolgreiche Komödie muss immer auch Tragisches beinhalten, Schmerz und Verlust.“ Das ist zweifellos eine individuell akzeptable und persönlich brauchbare dramaturgische Regel, aber als allgemeine „muss“-Regel diktatorisch einengend. Wenn schon unbedingt eine Komödien-Regel her soll, dann sollte es eher „etwa Emotionales“ statt „etwa Tragisches“ heißen. Und dieses Emotionale kann auch genauso gut bei pausenlosem, witzigem Irrsinn bloß ganz unterschwellig anwesend sein. Aber noch aus einem anderen Grund hat mich das Zitat irritiert, denn eigentlich pflegt Blom in DIANAS HOCHZEIT neben dem Komischen nicht so sehr das Tragische, sondern vor allem das übersteigert Groteske, wo Lachen in staunendes Entsetzen umschlägt.

Ein Großteil des Films spielt sich in und zwischen zwei Häusern ab: eine neue Vorstadtsiedlung, eine Einheits-Bungalowsiedlung. Hier sind alle zumindest nach außen gleich, Arbeiter und Angestellte. Zwei Häuser stehen stellvertretend für die norwegische Provinzwelt der 80er, die hier mit der Hochzeit der beiden Hauptfiguren beginnt, parallel zur vermeintlichen Traumverbindung aus Prinzessin Diana und Prinz Charles im Jahre 1981. Dekor und Filmbild tragen viele Spuren und die gedämpften Braun-Farben der 70er, wie direkt aus dem Fotoalbum.

Hier in dieser Traumsiedlung wohnt ein Arbeiterehepaar neben einem Angestelltenehepaar. Einander sehr ähnlich sind sie und doch verschieden. Beide jeweils mit einem Baby, das verbindet: Diana und Irene. Der Film feiert fröhlich die Klischees. Arbeiter sind laut, aber lebendig; Angestellte sind gepflegt, aber scheintot. Und so viel Irrsinn, Leben und Erotik bei den einen ist, so viel tote Hose im Bett ist logischerweise bei den anderen. So ist die antagonistische Klassenunterschiede-Konstruktion des Films, die sich immer wieder in nachbarschaftlichen Wettbewerben äußert. Neues gegen Altes, neues gegen altes Auto, Camping versus Flugreise. Jede Zeit hat ihre sich wandelnden Statussymbole.

Liv und Terje heißt das, mal mehr, mal weniger glückliche, Arbeiterpärchen, das es mit Konventionen nicht so genau nimmt. Das Kind ist schon vor der Ehe da und deshalb auch Teil der kleinen Hochzeitsfeier mit den Omas. Ein reizendes, stilles, amüsantes Familienporträt. Die eine Oma geht hustend, ohne Hand vor dem Mund, durch die Wohnung und sucht was. Die andere macht ihren grünen Likör an den Babyschnuller. Das schmeckt und beruhigt. Nur das Beste für die kleine Diana. Neben dem anfänglich heiteren Familienleben lebt der Film immer mehr von den Ehestreitigkeiten von Liv und Terje, die Marie Blokhus und Pål Valheim Hagen mit unschlagbarer, charmanter Liebenswertigkeit darstellen. Man muss sie einfach mögen, egal, wie sie sich benehmen.

Durch Streit findet das Paar immer zurück an die Ursprünge der Beziehung, ohne Rücksicht auf die Umwelt, allerdings auch ohne unverzeihlicherweise an die inzwischen zwei Kinder zu denken. Und da arbeitet der Film mitunter ganz geschickt mit einer doppelten Perspektive: die der amüsiert sympathisierenden Zuschauer und die der genervten Kinder. Denn das Eheglück steigert sich zur Groteske, wenn Terje wie ein Schwein auf dem Boden vom Teller isst oder wenn er sich durch eine Tür sägt, weil die wütende Gattin ihn ausgesperrt hat. Und dann gibt es mit den Nachbarn noch eine exzessiv ausartende Party. Das schwankt zwischen witzig und gruselig absurd. Gruselig finden es vor allem die beiden Teenage-Töchter, die endgültig genug haben von diesen unerträglichen Erzeugern und nach Oslo abdampfen.

Es folgt eine lange Ellipse und alles endet mit der Hochzeit der erwachsenen Diana. Jetzt ist es also an der echten Diana des Filmtitels, vor den Traualtar zu treten. Die Tochter feiert ihre bürgerlich-weiße Traumhochzeit und fürchtet die Anwesenheit der rabaukigen Eltern, die ihrem Ruf bei ihrer Ankunft sofort gerecht werden. Bloß, die ganze Szenerie ist steril, scheintot. Die Statisten sind tatsächlich nicht mehr als Statisten. Die Hochzeitsgesellschaft erscheint piefig und öde. Die Atmospäre des Films ist plötzlich so pädagogisch betroffen, ironie- und humorfrei, peinlich bourgeois, sodass man als Zuschauer eigentlich nur jeden bejubeln kann, der dem Ganzen zumindest etwas Leben einhaucht. Aber Blom meint es wohl ernst. Nur dass die ganze vorherige komödiantische Kritik, Satire, Groteske auf einmal eine muffige, spießige, biedermeierliche Patina ansetzt. Und ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen, was bloß müßig ist, so lässt sich einfach zusammenfassen, dass dieser Epilog die große Schwachstelle des Films ist. Und für die Erinnerung an einen Film ist es eher ungut, wenn die Schwachstelle am Schluss liegt. Das ist nun mal das, was besonders hängen bleibt.

© Maipo Film  (Quelle: Nordische Filmtage Lübeck)