Wenn ein dänischer Film
EN HELT ALMINDELIG FAMILIE (2020, dt.: Eine ganz gewöhnliche
Familie) heißt, weiß man natürlich sofort, dass diese Filmfamilie
vermutlich nicht ganz so gewöhnlich sein wird. Und wenn ein Vater
mit Ehefrau und zwei jungen Töchtern meint, er müsse sich jetzt zur
Frau umoperieren lassen, dann handelt es sich ja tatsächlich um
einen nicht so häufigen Sonderfall. Das Schöne aber an dem Film ist
seine inhaltliche und auch ideologische Unaufgeregtheit. Weder
Idealisierung noch Politisierung. Hier ist ganz einfach in einer
ganz schwierigen Situation ein Mann, der physisch eine Frau werden
will und es auch tatsächlich wird. Und dann interessiert sich Malou
Reymanns EN HELT ALMINDELIG FAMILIE vornehmlich für die rein
persönlichen Auswirkungen solch einer Handlung auf die Kinder,
besonders das jüngere 10-jährige.
Ausgewogen ist auch die
Stimmung. Es ist keine Komödie, kein Drama. aber das Ganze hat
sowohl seine komischen als auch traurigen Seiten. Komisch ist es,
wenn der Schwiegervater auf seiner Rede zur Konfirmation der Enkelin
die weiblichen und männlichen Pronomen und den alten und den neuen
Vornamen des Ex-Schwiegersohnes – Thomas und Agnethe – durcheinanderbringt
und auf die Berichtigungen hin grummelt: „Ja, da muss man sich ja auch
erst mal dran gewöhnen.“ Vergnüglich absurd wird es, wenn die
Mutter vor der Operation und der Ehescheidung eine Abschiedszeremonie veranstalten will, um sich von ihrem
Mann zu verabschieden, der dann ja schließlich weg sei. Das finden die anderen aber doch zu
begräbnisartig. Wenn die jüngere Schwester für die ältere auf der
erwähnten Konfirmation ein Lied singt, dann ist das zum Weinen
schön rührend. Und wenn die jüngere sich ein anderes Mal in ihrer
Verstörung eine Alkoholvergiftung antrinkt und ihrem weiblichen
Vater wutspeiend ins Gesicht den Tod wünscht, ist das sehr traurig.
Dass alles dennoch harmonisch im Gleichgewicht bleibt, ist einer
subtilen und ruhigen Regie von Malou Reymann zu verdanken und besonders den Darstellern
von Vater und Töchtern. Mikkel Boe Følsgaard, als
Thomas und Agnethe, spielt mit ganz sparsamen Mitteln und sehr
natürlich, jenseits aller postiven und negativen Klischees, eine Figur, die versucht, ihre Würde zu bewahren, ihr
Gleichgewicht herzustellen und für sich eine Art Normalität zu
finden.
Rigmor Ranthe spielt die
ältere Tochter, die harmoniebedürftige Caroline, die die Familie
zumindest ansatzweise retten will. Und daher macht sie jede Laune des
umoperierten Vaters mit. Kaya Toft Loholt verkörpert Emma, und es
ist bemerkenswert, wie dieses kindliche Durcheinander aus widerstreitenden
Gefühlen bei ihr auf der Leinwand durchscheint. Denn sie sieht die
Brüche in der Fassade, ist hin- und hergerissen. Es gibt
beispielsweise eine Sitzung bei der Familientherapie, während der die
Kamera hinter Emma positioniert ist, wobei sie sich trotzig einen Schal um
den Kopf gewickelt hat, da sie den Vater nicht in Frauenkleidern
sehen will. Die ganze Zeit bleibt die Kamera dort, während die
anderen Personen nur unscharf zu sehen sind, wo sich ein nicht wenig
absurdes Psycho-Theater abspielt. Am Schluss fragt sie ihn: „Bleibst
du mein Vater?“ Als der ihr das zusichert, legt sie den Schal ab
Doch so leicht ist es
nicht. Agnethe ist für die Kinder zwar da, ist aktiver Teil der
Familie, aber die Vater-Wirklichkeit zerfällt schnell. Denn sie
spielt jetzt zweite Mutter, auch vor anderen, spielt ganz die weibliche
Rolle und tut jetzt alles, was man vermeintlich als Frau so macht.
Emma aber will ihren Vater wiederhaben: „Du bist nicht unsere
Mutter.“ Da gibt es eine interessante Schlüsselszene in Bezug auf
Fußball, wenn Agnethe auf dem Urlaub in Mallorca beim Gespräch mit
einer anderen Frau plötzlich so tut, als hätte sie keine Ahnung von
Fußball, wo sie es als Vater doch war, der mit Emma immer zum
Fußballverein gefahren ist. Und ganz am Schluss fachsimpelt eben die
echte Mutter mit Emma über Fußball. Denn nebenbei ist EN HELT ALMINDELIG
FAMILIE eine sehr subtile Betrachtung von Rollenbildern und im
Grunde der einfachen Tatsache, dass sowieso jeder in sich Yin und
Yang, das Weibliche und das Männliche ins Gleichgewicht bringen
muss, ohne es sofort zu verkörperlichen.
Es ist vor allem die
Struktur, die die mitunter seltsame und sehr gelungene ambivalente
Stimmung des Films erzeugt. Immer wieder werden alte Familienvideos
gezeigt, heimelig, gemütlich, alltäglich, aber auch
aufschlussreich. Es scheint so, dass der Vater immer filmte, weil er
sich außen vor fühlte. Einmal sagt die Mutter so etwas wie, er
solle doch mitmachen und nicht filmen. Man sieht fast immer nur die
Mutter und die beiden Töchter. Er ist nie wirklich dabei. Auch wenn
er sich manchmal selbst filmt. Die Operation wirkt da wie ein
Versuch, endlich echt und authentisch zu sein und den richtigen Platz
auch in der Familie einzunehmen. Auch am Ende werden uns wieder
glückliche Bilder gezeigt, diesmal mit Agnethe und den Töchtern. Wie ein kleines Happy End. Als hätte jeder seinen Platz
gefunden. Aber es wirkt gleichzeitig wie eine Kreisbewegung, wie eine
Rückkehr zum Anfang. Denn es beginnt mit einem Video, in dem er sich
auch selbst filmte und jetzt endet es eben mit einem.