Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 7. August 2020

Ulaa Salims SONS OF DENMARK – Verquerer Humanismus


Auf dem Papier ist Ulaa Salims dänischer Film SONS OF DENMARK (2019, Danmarks Sønner) eine Art Dystopie-Thriller der ganz nahen Zukunft. Ein paar Jahre nach einem islamischen Terror-Bombenattentat hat in Dänemark eine extreme rechte Partei die Chance, den Ministerpräsidenten zu stellen. Der hat Ausweisungen, Rückführungen, Entzug der Staatsbürgerschaft und andere Maßnahmen in Aussicht gestellt. Eine Gruppe junger Moslems will diesen töten, aber es geht schief wegen eines Undercover-Ermittlers der Polizei, dem aber nach und nach die wahre Natur dieses Politikers klar wird. „Söhne Dänemarks“, die Gruppe vom Filmtitel, der auf Deutsch noch den Zusatz BRUDERSCHAFT DES TERRORS bekommen hat, sind eine Vereinigung gewalttätiger, mörderischer Rechtsextremer, die im Laufe des Films von der Polizei abgehört werden und im Geheimen mit dem von Rasmus Bjerg gespielten Politiker verbunden sind. Im Film erfüllen sie nur eine Funktion als böse Dämonen und bleiben abstrakt gesichtslos.

Zunächst einmal ist der Film ziemlich langweilig, und es ist sehr schnell die Luft raus aus der Story. Nach einer halben Stunde spätestens quält sich die restliche Zeit der insgesamt zwei Stunden Überlänge nur so dahin. Der gesamte Genreteil ist aus lieblosen Versatzstücken zusammengezimmert. Der ganze Polizeiteil knarrt zusätzlich bedenklich wegen der hölzernen und vorhersehbaren Klischees. SONS OF DENMARK ist nur interessant für Radikale und das mit ihnen sympathisierende Kulturbürokratiepublikum, das sofort bei jeder Bestätigung seines Weltbildes jubelt. Aber die Debatte um den Film ist ganz interessant.

Der Film war gleich bei seiner Premiere in Dänemark umstritten. Man muss dazu noch ergänzen, dass es in Dänemark die Erscheinung des durchgeknallten und höchst unsympathischen Rechtsaußen-Außenseiters Rasmus Paludan und seiner Partei „Strammer Kurs“ gibt. Paludan holt sehr erfolgreich mit provokanten Aktionen das Böse in leicht aufzustachelnden Einwanderergruppen heraus. Ich habe keine Lust, ins Detail zu gehen, aber es handelt sich dabei um geschmacklose, überflüssige Aktionen, die Paludan  auch schon vor den Kadi und ins Strafregister gebracht haben.

Jedenfalls rezensierte Alex Ahrendtsen, ein Parlaments-Abgeordneter der national-konservativen Dänischen Volkspartei, SONS OF DENMARK für die Tageszeitung Berlingske und bezeichnete den Film sinngemäß als Aufruf zum Mord und als gefährlich und propagandistisch. Vor allem sei er gefährlicher als Rasmus Paludan, womit der Politiker von einem staatspolitischen Standpunkt aus gesehen durchaus Recht hat, denn Paludan ist ein erfolgloser Politiker. Filmregisseur Salim wollte sich in keine detaillierte Diskussion einlassen und redete bloß etwas vom Humanismus des Films und dass Ahrendtsen mit seinen Aussagen nur ein Beleg für die Radikalisierung der Gesellschaft sei.

Problematisch und propagandistisch ist der Film aber tatsächlich. Die Ausführung ist voller Widersprüche, Verdrehtheiten und einem in ihrer ganzen Grundlage vereinfachenden Weltbild. Islamischer Terrorismus ist hier die Sache von bloß „ein paar Idioten“ und an sich überhaupt kein Problem. Salim hat in der Beziehung ein ganz und gar nicht humanistisches Einfühlungsproblem. Eine Art Empathieverweigerung macht sich da bemerkbar: Der Freund des am Anfang bei dem Anschlag getöteten Mädchens taucht am Ende noch einmal ganz kurz auf als rechtsextremer Mordbube. Für ihn interessiert sich Salim also nur noch in Form von dieser einen einzigen Alibi-Großaufnahme. Mehr ging ja auch nicht, denn würde man mehr über den Weg dieses jungen Mannes wissen, dann wäre die uneingeschränkte und kategorische Entmenschlichung und Dämonisierung des Gegenübers nicht mehr möglich.

Und überhaupt ist das Ganze im Grunde keine Zukunftsvision. Denn eigentlich ist in SONS OF DENMARK die Gegenwart gemeint. Der rechtsextreme Politiker ist ja ein Wolf im Schafspelz, einer, der mit einem Lächeln und schönen Worten seine wahre Natur der Gewalt und des Mordes verbirgt. Aber genau das wirft man ja an sich allen Vertretern national-konservativer Parteien vor. So wird die scheinbare Dystopie eigentlich zur Utopie, die endlich die Anwendung von Gewalt erlaubt. Endlich hat man eine Rechtfertigung, eine ideologische und logische Untermauerung für Gewalt. Denn die Wölfe in Schafspelzen muss man töten, damit nichts Schlimmeres passiert. Wohlgemerkt! Das hier ist reine Theorie aufgrund Inhalt und Struktur des Films. In der Praxis ist er einfach zu langweilig, um tatsächliche Wirkung zu haben.

Dabei ist Salim eigentlich ein wirklich spannender und interessanter Regisseur, der mit seinen Kurzfilmen über Familie, Freundschaft, Liebe ein echtes Talent für das Intime gezeigt hat. Auch SONS OF DENMARK enthält in großen Teilen eine Familiengeschichte, der aber die Authentizität seiner Kurzfilme fehlt. Bei EKKO Shortlist kann man vier von Salims Kurzfilmen sehen, jeder auf seine Art sehr schön: UNG FOR EVIGT (2012, Jung für immer), DET RENE HJERTE (2014, Das reine Herz), VORES FÆDRES SØNNER (2016, Die Söhne unserer Väter) und den Abgangsfilm von der Filmhochschule FÆDRELAND (2017, Vaterland). Besonders FÆDRELAND und UNG FOR EVIGT zeigen eine bemerkenswerte dramaturgische Kunst der Verdichtung, vermischt mit poetischen Qualitäten. FÆDRELAND erzählt in 30 Minuten den Besuch eines sehr dänisch gewordenen Sohnes bei seinem Vater in Jordanien, der als Einwanderer Dänemark enttäuscht wieder verließ. UNG FOR EVIGT zeigt in 15 Minuten sehr innerlich und bewegend eine junge Beziehung vom Ende bis zum Anfang.