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Donnerstag, 10. Juni 2021

Trine Dyrholm in ERNA I KRIG – Ein schlechter Witz

 

Hier also dann doch noch ein paar Zeilen zu dem neuen dänischen Film ERNA I KRIG (2020, dt.: Erna im Krieg) von Regisseur Henrik Ruben Genz, einem Erste-Weltkriegs-Film, der immerhin mit einer bemerkenswerten dänischen Weltschauspielerbesetzung aufwarten kann: Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen und Anders W. Berthelsen. Aber irgendwie hatte ich schon beim Trailer des Films Böses geahnt. Man hofft ja immer das Beste und vergisst all zu oft, dass Hoffnung die Mutter allen Unglücks und Unwohlseins ist.

Im Prinzip geht es in ERNA I KRIG darum, dass Trine Dyrholm eine gluckenhafte Übermutter spielt, die ihren vermeintlich etwas zurückgebliebenen Sohn vor dem Ersten Weltkrieg retten will. Denn wozu soll er als Däne auf Seiten der Deutschen kämpfen? Wir sind ja in Nordschleswig und die Grenze verlief ja damals ein Stück weiter nördlich. Erst will sie ihn bloß vom Militär befreien lassen, aber als das nicht geht, ergeben sich zufällig Umstände, die es ihr erlauben, die Uniform eines desertierten Soldaten anzulegen und dessen Rolle zu spielen. Und in dem erwähnten Trailer konnte man schon sehen, dass da eine Frau in Soldatenklamotten herumläuft, womit sie natürlich in Wirklichkeit nicht lange durchgekommen wäre.

ERNA I KRIG ist ja die Adaption eines Romans von Erling Jepsen, den ich aber nicht gelesen habe. Und da kann man sich jetzt fragen, ob dieses schlechte Versteckspiel eine nicht ins Filmische übertragbare literarische Konstruktion ist oder ob es sich mit Trine Dyrholm einfach um die falsche Besetzung handelt. Aber ihre Figur bemüht sich auch nicht sonderlich, hat beispielsweise unter ihrem Soldatenhelm noch eine ordentliche nackenlange Haarpracht, und da kann man sich jetzt wundern, warum sie sich das nicht einfach radikal kurz absäbelt. Am Ende bekommt man die Antwort: Sie muss ja noch ein bisschen sexy und weiblich aussehen für die kurze Romanze mit dem verheirateten dänischen Schmied.

Warum ich auf diesem Detail jetzt so lange herumhacke? Warum ich gegen meine Gewohnheit den, von Hitchcock so verachteten, Wahrscheinlichkeitskrämer spiele? Denn schließlich: Kümmert sich irgendjemand darum ob Tony Curtis und Jack Lemmon in MANCHE MÖGEN'S HEISS(1959) wirklich wie Musikerweiber aussehen? Oder Cary Crant als bemerkenswerte Vogelscheuche in ICH WAR EINE MÄNNLICHE KRIEGSBRAUT (1949)? Oder Heinz Rühmann oder Peter Alexander oder gar der dänische Komiker Dirch Passer in ihren jeweiligen Versionen von CHARLEYS TANTE (1956, 1963, 1959). Die Antwort ist ganz einfach: Das sind Komödien, überdrehte Farcen, niemanden kümmert es in diesen Fällen. Macht man das aber falsch in einem ernst gemeinten Drama, dann wird das Drama zum Witz. Bloß zu einem leider schlechten Witz.

Und so wirkt der Film einfach verwurstet. Dazu kommt der Stil, uninspiriert-korrekt, ganz nach dem Vorbild unpersönlicher Fernsehregie. Wie eine auf Spielfilmlänge gepresste TV-Seifenopern-Wurst. Denn das Ganze ist ja auch noch ungeheuer überladen. Die Mutter begleitet ja nicht nur ihren Sohn. Ihr kommandierender Offizier will sie unter Zwang heiraten. Und dann gibt es noch diese Liebesgeschichte mit dem verheirateten Schmied. Sie tötet einen dicken Soldaten, der sie vergewaltigen will. Und dann wird es ganz tiefsinnig, denn Töten hat Tradition in ihrer Familie. Ja, und schwanger vom Schmied wird sie auch noch. Und die Dänenthematik darf nicht fehlen. Immer wieder wird die dänische Flagge herausgeholt wie eine Reliquie. Und der Polizist, der freiwillig für die Deutschen kämpft, landet natürlich am Ende auf dem Friedhof. Da wo er wohl als verdiente Strafe hingehört. Und am Schluss gibt es an der Front noch eine Art Best-of aller Erster-Weltkriegs-Film-Klichees. Und bei all dem berührt einen nichts. Schon sehr früh im Film ist es einem völlig egal, was mit den Figuren passiert. Befreit, erschossen, eingesperrt. Was soll's?

Kein großer Schauspieler dieser oder anderer Welten ist eben dazu imstande, einen verwursteten Film zu entwursten. Und daher kann man auch gar nicht sagen, ob die Schauspieler gut sind. Sie spielen eben so vor sich hin. Jeder in seinem Figurenvakuum. Der Drehbuchautor, der Regisseur wären ja dafür, was Ganzes daraus zu machen. Dyrholms allerletzter Blick geht übrigens in die Kamera. Ein eher peinlicher Kunstgriff, der zwar überhaupt keinen Sinn macht, aber er ist vermutlich an jeden Kritiker einzeln gerichtet: Schreib jetzt nichts Falsches, sonst mach ich dich platt! Mir egal. Und wenn sie kommt? Dann laufe ich!