Ein schönes Geschenk,
das die dänische Filmzeitschrift EKKO einem da gemacht hat, als sie
Kasper Rune Larsens kurze Webserie HOTEL PARADIS (2020) als Streaming
auf ihre Netzseite stellte. Die Umstände sind allerdings nicht ganz
so lustig. Denn diese mit öffentlicher dänischer Filmförderung
gedrehte Serie will kein dänischer Fernsehsender kaufen. 2019 war
Kasper Rune Larsen damit auf den Berliner Filmfestspielen auf der
Suche nach internationalen Käufern. So ein Ärger ist vermutlich die
Quittung, wenn man nicht den zur Zeit angesagten formatierten
Storytelling-Kram, weswegen ich beispielsweise viel weniger Serien gucke als früher,
kopiert, sondern sich auf sehr persönliche Weise von Interessanterem
inspirieren lässt: von der britischen Sitcom
FAWLTY TOWERS mit
John Cleese, von David Lynchs TWIN PEAKS
und mit seiner jütländischen Provinzthematik ist HOTEL PARADIS auch
ein bisschen verwandt mit Bruno Dumonts Nordfrankreich-Serie P'TIT
QUINQUIN (2014). Kann es wirklich sein, dass Fernsehbürokraten sich bei
dem Ganzen nicht so gut unterhalten wie ich?
HOTEL PARADIS beginnt mit
Asger, der ein junger, für kurze Zeit sehr erfolgreich gewesener
Künstler aus Kopenhagen ist, der „am schnellsten verkaufende
Künstler Dänemarks“. Der kommt mit seinen finanziellen und großen
kreativen Problemen in die Provinz – „in the middle of
fucking nowere“ – um der Verlesung des Testaments seines
Vaters beizuwohnen, den er nie kennengelernt hat. Da trifft er zum
ersten Mal auf seine beiden Brüder, den freundlichen fülligen Koch
Jan und den neurotischen Portier Dan,
die beide im väterlichen Hotel arbeiten, um das es in dem
Testament vorwiegend geht. Nach und nach kommen
noch einige eigenwillige Charaktere dazu.
Stammgast Bodil ist
eine Amateur-Künstlerin mit festem Wohnsitz in dem Hotel.
Nachbarstochter Bob, ein echter Hillbilly
und Waffennärrin, wie es sie in Europa mehr geben sollte.
Schlüsselfigur dieser
ersten Staffel ist der ständig besoffene Onkel, der aber als Einziger sagen kann wo das Testament ist, wenn man ihn denn in
häuslicher Pflege mal aus dem tiefen Alkohol-Koma bekäme: „Wir
gehen doch nicht zum Arzt, wir sind nicht in Kopenhagen.“
Larsen
denunziert seine Figuren aber nie. Echte böse Satire gibt es nur bei
einer Abordnung aus Kopenhagen, als Vertreter der „Kunstauswahl“
in dem Hotel auftauchen und, wie im Leben, sich über alles
Provinzielle lustig machen. Das wirkt witzig, ist aber sehr real. Als
ihnen von Bob mit Pistole fast der Kopf weggeblasen wird, glauben sie
hinterher an eine gelungene Kunstperformance, die sie gleich mit
angelernten Floskeln theoretisieren. Was auch immer hier gezeigt ist,
die Serie ist auf der Seite der Leute aus Jütland, übrigens auch
die Heimat des Regisseurs, der geboren wurde in Vejle.
HOTEL PARADIS ist im
Ganzen eine schöne Mischung aus ernst und heiter. Viel Humor
entsteht ganz einfach durch die Dialoge, aber nicht nur durch
pointierten Inhalt, sondern durch die Art, wie miteinander geredet
wird. Da sind Menschen, die sich manchmal um Kopf und Kragen reden,
wenn sie denn reden. Und dann wieder herrschen Pausen vor, dann
wieder Sprachlosigkeit, Ausflüchte ins Umhergucken, linkische
Bewegungen. Und oft besteht Kommunikation bloß aus Befehlen und
Monologen. „Du redest nicht mit mir, du redest zu mir.“,
beschwert sich Jan bei Dan. Und dann die unnachahmliche Art, wie Dan
es aus sich herauspressen muss, dass Asger sein Bruder ist, wie er
auf dem Wort Halbbruder besteht, um Distanz zwischen sich und ihn zu
legen, und wie Jan auf „Bruder“ besteht, sodass über Dans
zusammengepresste Lippen das Wort „Halbbruder-Bruder“ kommt.
Larsen
ist immer dicht dran an den Figuren, manchmal schmerzhaft
lange. Und trotz der seltsamen Charaktere bedient Larsen nicht
die Freunde der nordischen Skurrilität. Denn hier geht es eher
seltsam als skurril zu. Unnormales Verhalten ist nicht zum Amüsieren
und Lachen, es verschiebt eher den Maßstab der Normalität, um am
Ende vielleicht ganz woanders zu landen. Wenn etwa Dan am Bett des
besoffenen Onkels sitzt, sich erleichtert die Schuhe und Strümpfe
auszieht und sich den linken Fuß einsalbt und dann mit der rechten
einen Fransk Hotdog isst, also Würstchen in Weichbrötchen mit
Remoulade, dann ist das nicht witzig, sondern perfekter realer
Surrealismus. Oder wenn Bob mit ihrer Spielkameradin brutales
American Football spielt. Und auch wenn es gerade nicht danach aussieht,
wäre es trotz allem schön, falls es mal eine Fortsetzung geben
könnte, denn gerade am Schluss deutet sich durch Träume und
Dämonisches einiges an. Und irgenwie mag man nicht aufören, diesen Figuren zuzugucken,
was auch ein großes Kompliment an die Schauspieler ist, also Jonas Lindegaard Jacobsen als Asger, Bodil Jørgensen als Bodil, Jesper Ole Feit Andersen als Dan, Alexander Leo Christiansen als Jan und Frederikke Dahl Hansen als Bob.