Eigentlich heißt die norwegische Miniserie bloß MAGNUS (2019), ohne das ergänzende deutsche TROLLJÄGER dahinter. Und Trolljäger ist die Hauptfigur auch nicht so recht, eher ein suchender Troll-Ermittler. Vidar Magnussen hat das Ganze mit Rolf Magne-Andersen geschrieben, von Geir Henning Hopland unter seiner Mitwirkung inszenieren lassen und spielt selbst die Hauptrolle des Polizisten Magnus Undredal. Magnussen ist in Norwegen am bekanntesten als Komiker, komischer Schauspieler, er hat aber auch ein Standbein im sogenannten ernsthaften Theater. Die ersten drei der insgesamt sechs jeweils halbstündigen Folgen von MAGNUS waren übrigens 2019 auf den Nordischen Filmtagen Lübeck zu sehen.
Die Serie spielt in einem kleinen Ort in Norwegen und es ist verschneiter Winter. Magnus Undredal gilt als der schlechteste Ermittler in der örtlichen Polizeistation. Doch durch politisches Intrigantentum bekommt er als amtlicher Idiot einen wichtigen Fall zugeschanzt, um mit Sicherheit für ermittlerische Erfolglosigkeit zu sorgen. Doch die Bösen haben die Macht der Idiotie nicht bedacht. Zwei Partner gesellen sich zu Magnus: Ein Kollege, der sich nach dem absurden Unfalltod seiner Frau ständig umbringen will, was eigene Unfähigkeit oder Magnus regelmäßig verhindern. Und ein kleiner 11-jähriger Junge mit ständig besoffener Mutter. Mit einem geheimnisvollen Fall haben sie es zu tun: Der seltsame Tod einer Frau durch einen seitlichen Blitz, ein verschwundener mordverdächtiger Schauspieler, dessen größter weiblicher Teenie-Fan auf der Suche nach ihrem Idol, jede Menge böser Amis, die Bewohner einer seltsamen Trollfarm und eine rätselhafte Gestalt in Hundekostüm. Und Trolle, die durch ein geheimnisvolles Parallelwelt-Portal auf die Erde kommen.
Eines vor allem muss betont werden: MAGNUS ist außerordentlich komisch. Viele Szenen und Sequenzen sind sogar zum Schreien komisch. Es gibt einen Haufen wirklich brillanter Einzelnummern, Ideen, Absurditäten, Kostümierungen, innovativer Technik-Spielereien. Und es gibt Dinge, die man zu selten unabhängig von tiefer sozialrealistischer Betroffenheit zu sehen bekommt, etwa wenn die bedöselte Mama den Junge mit einem Einkaufswagen voller leerer Bierdosen zur Pfandannahme schickt und der bei den verschneiten und holperig vereisten Wegen kaum vorwärts kommt. Aber die Serie ist weit mehr als eine Ansammlung witziger Einfälle, geht über reine Comedy, über eine Sketch- und Nummernrevue hinaus. Und eben das macht MAGNUS zu einem wirklich guten Film. Viel Humor entsteht oder wird verstärkt durch intelligente, genau durchkalkulierte Inszenierung und Montage. Das gilt besonders für zwei längere Szenen in der Polizeistation mit ständigen Szenenwechseln. Zum einen die Sequenz der zwei Geirs, dann die um den etwas neben sich stehenden, Flecken hassenden Polizeichef. Auch eine Kinder-Geburtstagsparty, wo 11-Jährige einen Slasher-Film gucken, gehört in diese Kategorie. Die Konzentration auf einen beschränkten Schauplatz verbindet sich elegant und präzise mit Tempo, Abwechslung und absurd-lustigen Einfällen.
Magnussen bedient sich vieler bekannter Elemente, die sozusagen angereichert werden und so ist etwas echt Individuelles entstanden. Brillant inspiriert, könnte man sagen. „Inspektor Clouseau trifft auf STRANGER THINGS“, das kann man in Werbetexten und Rezensionen lesen. So hat Magnussen seine Serie in Interviews im Vorfeld auch selbst charakterisiert, um zumindest eine vage Vorstellung davon zu geben. Mystery mit Kindern, das ist STRANGER THINGS, nur dass MAGNUS eher eine Erwachsenenserie ist. Und an Clouseau würde sowieso jeder auch ohne den Hinweis denken. Mit einem entscheidenden Unterschied: Clouseau hielt sich für grandios und kam immer irgendwie mit einem Erfolg durch, während eigentlich nur sein Vorgesetzter wusste, dass er ein größenwahnsinniger Trottel ist, der Chaos und Zerstörung mit sich bringt. Hier ist die Idiotie kein Geheimnis. Magnus ist sogar eher ein demütiger Idiot, und er wird für durchgeknallter gehalten, als er ist. Er nennt sich selbst den schlechtesten Ermittler der Station und hechelt nach einer echten Chance, seine unter der Oberfläche versteckte Brillanz unter Beweis zu stellen. Ganz harmlos ist er aber auch nicht. Einmal wird Magnus auch gefährlich mit seinen übermütigen Spielereien. Doch von außen wird er angetrieben, weiterzumachen. Und am Ende erkennen alle seine Fähigkeiten an.
Denn Magnus
ist eben ein echter Repräsentant der Moderne, ein echt moderner
Idiot. Er hat etwas von einem voll beknackten Nerd-Genie, das
seltsame Erfindungen mit häufigen Funktionsfehlern ersinnt. Darunter
auch so wirkungsvolle Erfindungen wie ein Kinder-Laserschwert mit
genügend Strom drauf, um einen Erwachsenen locker in die Knie zu zwingen. Und er
ist gut in pseudo-logischen, pseudo-wissenschaftlichen Theorien aus
allen möglichen Bereichen, die sich aber gut anhören. Die moderne
geistige Pest der Menschheit – diese Mischung aus Medizin,
Soziologie, Pädagogik und Psychologie – wird hier ad
absurdum geführt. Wenn Magnus dem Selbstmordkandidaten, der auf dem
Fensterbrett steht, heißen Kaffee ins Gesicht und über die Uniform
gießt, kann er genau begründen, wieso das sinnvoll sein soll gegen
suizidale Absichten. Nur solch ein Idiot kann die idiotische Welt aus
moderner Technik, Mystery-Universen und geldgierigem Totalitarismus
verstehen und subversiv-chaotisch unterlaufen. Man sollte Magnus nach
Silicon Valley versetzen. Bis kein Chip mehr da sitzt, wo er hingehört.